BGH: Fotoklau im Internet und werbliche Nutzung: 200€ Schadensersatz; 6.000€ Streitwert

BGH, Urteil vom 13.09.2018 (Az.: I ZR 187/17)

Der BGH bestätigte ein vorangegangenes Urteil des LG Leipzig vom 13.10.2017 und wies die Revision des Klägers zurück. In der Sache ging es um eine Urheberrechtsverletzung und eine daraufhin geltend gemachte Vertragsstrafenforderung.

Sachverhalt

Der Kläger nahm an einer Tuning-Veranstaltung des Beklagten im Jahre 2014 teil, fertigte dort ein Foto eines Sportwagens an und veröffentliche das Foto anschließend bei Facebook.  Der Beklagte verwendete das Foto dann auf seiner Website zur Bewerbung seiner Veranstaltung und ohne die Erlaubnis des Klägers. Zudem bearbeitete der Beklagte das Foto und versah es mit den Schriftzügen für seine Veranstaltung.

Der Kläger ließ den Beklagten daraufhin abmahnen und forderte einen Schadensersatz von 450€ sowie einen Zuschlag von 100% wegen fehlender Namensnennung, mithin insgesamt 900€. Den Schaden berechnete der Kläger mittels Honorartabelle der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM-Tabelle) im Rahmen der Lizenzanalogie. Als Gegenstandswert wurden vom Kläger 10.000€ zugrunde gelegt, weshalb Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03€ verlangt wurden. Der Beklagte gab hierauf eine mit 2.500€ vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Da der Kläger in der Folgezeit auf einer anderen Internetseite das abgemahnte Bild ebenfalls erblickte, sah er hierin einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Da es sich um das mit den Werbeschriftzügen für die Veranstaltung des Beklagten versehene Bild handelte und zudem ein Text zur Bewerbung der Veranstaltung eingestellt wurde,  sah der Kläger hierin den Beweis, dass der Beklagte das Bild weitergegeben habe. Er machte daher die Vertragsstrafe in Höhe von 2.500€ geltend und verlangte den nochmaligen Ersatz seiner hierfür angefallenen Rechtsanwaltskosten (258,17€).

Urteil

Bereits das Amtsgericht Leipzig hatte hat den Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie in Höhe von 100 € und eines Zuschlags wegen fehlender Namensnennung von weiteren 100 € sowie von Abmahnkosten in Höhe von 571,44 € aus einem Gegenstandswert von 6.000 €, also insgesamt zur Zahlung von 771,44 € verurteilt. Dies wurde auch von der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Leipzig bestätigt wurde. Die geltend gemachte Vertragsstrafenforderung wurde ebenfalls von beiden Gerichten abgewiesen. Gegen das Urteil des LG Leipzig legte der Kläger Revision zum BGH ein.

1. Verletzungshandlung

Dass eine grundsätzliche Verletzungshandlung vorlag, stand auch für die Bundesrichter außer Frage:

Durch die Vervielfältigung des Lichtbilds und die öffentliche Zugänglichmachung auf seiner Internetseite hat der Beklagte das Vervielfältigungsrecht (§ 72 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 UrhG) sowie das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 72 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG) des Klägers verletzt. Die Verletzung erfolgte, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, zumindest fahrlässig. Der Beklagte hätte seine fehlende Berechtigung jedenfalls erkennen können. Für die rechtswidrige Nutzung des Fotos kann der Kläger danach gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 und 3 UrhG Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangen.

2. Schadensersatz

Der BGH führte zudem aus, dass sich der Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG danach richtet, was der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.

Auch das Bundesgericht lehnte die Anwendbarkeit der Honorartabelle der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM-Tabelle) im konkreten Fall ab.

Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 – I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Rn. 23 = WRP 2006, 274 – Pressefotos; Urteil vom 16. August 2012 – I ZR 96/09, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Rn. 25 = WRP 2009, 319 – Whistling for a train; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild). Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet wird es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds ankommen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 68/08, GRUR 2010, 623 Rn. 39 f. = WRP 2010, 927 – Restwertbörse I). Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, wird ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen sein (vgl. Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 144).

Ausschlaggebend ist also zunächst eine bestehende und durchgesetzte (!) Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung. Fehlt es daran, können branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab herangezogen werden, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; BGH, ZUM 2013, 406 Rn. 30 – Einzelbild, st. Rspr.).

Da die MFM-Empfehlungen aber grundsätzlich nicht auf die Bestimmung der Vergütung von privat angefertigten Fotografien anwendbar sind, konnten diese hier nicht zugrunde gelegt werden.

Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu.

Der BGH führte aus, dass die vorausgehenden Instanzen daher rechtsfehlerfrei einen Betrag von 100€ im Rahmen des freien richterlichen Ermessens als angemessene Lizenzgebühr zugrunde gelegt hatten. Ausschlaggebend sei hier u.a. gewesen,  dass es sich um ein recht einfaches Foto handelt, welches keiner besonderen Gestaltungskomposition unterliegt.  Aufgrund der nicht professionellen Aufnahme reiche in dem Fall eine Lizenzgebühr von 100€ trotz der gewerblichen Nutzung durch den Beklagten. Zudem war ein Zuschlag wegen der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft (fehlende Namensnennung) ein Zuschlag von 100% zu gewähren.

3. Gegenstandswert bei 6.000€

Zudem erklärte der BGH, dass der Gegenstandswert der Abmahnung durch das AG Leipzig mit 6.000€ rechtsfehlerfrei bemessen wurde. Hierbei habe auch die gewerblichen Nutzung durch den Beklagten ausreichend Beachtung gefunden.

4. Auch keine Vertragsstrafe verwirkt

Die geltend gemachte Vertragsstrafe sprach auch der BGH dem Kläger nicht zu, da auf der angegriffenen Website auch unbekannte Nutzer Inhalte einstellen konnten. Zwar wurde dort das mit dem Werbeaufdruck des Beklagten bearbeitete Bild hochgeladen und zudem eine Beschreibung über die Veranstaltung des Beklagten veröffentlicht, dies reichte aber aus Sicht der Richter nicht aus, um die Verantwortlichkeit des Beklagten zu begründen.

Im Internet veröffentlichte Inhalte können grundsätzlich von jedermann beliebig reproduziert werden. Im Hinblick auf das mit dem Werbeaufdruck versehene Foto auf der Internetseite des Beklagten liegt nicht fern, dass ein an Tuning-Events interessierter Dritter von sich aus dieses Foto verwendet haben könnte, um in einem entsprechenden Forum andere Interessierte auf die vom Beklagten angekündigte Veranstaltung aufmerksam zu machen. Das gilt insbesondere bei Veröffentlichungen in Termin- und Veranstaltungskalendern im Internet.

Vom den Unterlassungsversprechen sind daher nur Handlungen erfasst, die auf Veranlassung des Unterlassungsschluldners hin geschehen. Selbstständig handelnde Dritte muss sich ein Unterlassungsschuldner daher nicht zurechnen lassen. Dies gilt selbst dann, wenn er darauf aufmerksam gemacht wird.

Ohne Erfolg wendet die Revision gegen diese Beurteilung ein, das Unterlassungsversprechen eines urheberrechtlichen Störers sei dahingehend auszulegen, dass es auch die Verpflichtung umfasse, den durch das Einstellen von Fotografien in das Internet geschaffenen Störungszustand zu beseitigen, soweit dies dem Beklagten möglich und zumutbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 76/13, GRUR 2015, 258 Rn. 66 = WRP 2015, 356 – CT-Paradies).

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